Die hier folgende Geschichte erzählt etwas
ganz Undramatisches, eine kleine Geschichte von Menschen, die zu verschiedenen
Zeiten ans Ufer des östlichen Mittelmeeres gespült wurden.
Lest die Überschrift nochmals – Jaffa und
das Hodkin-Lymphom. Was haben Jaffa, die 5000 Jahre alte Schwester von Tel Aviv
und eine erstmals im Jahre 1832 vom englischen Arzt Dr. Thomas Hodgkin
beschriebene und nach ihm benannte Krebserkrankung gemeinsam? Mark, ein alter Freund von mir und
selber Arzt, hat mich darauf hingewiesen, dass dieser besagte Dr. Hodgkin (1798
– 1866) auf dem protestantischen Friedhof in Jaffa begraben ist. Diesen
Friedhof haben wir kürzlich besucht.
Alte Friedhöfe sind herrliche
Objekte für Führungen, man kann da wunderbar in alten Geschichten rühren, und
sie erzählen auch die Geschichte des Totenkultes der jeweiligen Kulturen. Auf
Korsika bauen die Lebenden ihren Toten richtiggehende Paläste. Im Wallis habe
ich einen Dorffriedhof entdeckt, auf dem die hunderte von Gräbern zum grössten
Teil die gleichen sechs Familiennamen tragen; die Inzucht lässt da ganz
herzlich grüssen. In Berlin habe ich beim Besuch eines jüdischen Friedhofs das
Familiengrab eines Arbeitskollegen entdeckt.
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Der Eingang zur Tabithaschule |
Für den Besuch des protestantischen
Friedhofs mussten wir uns bei der christlich-schottischen Tabithaschule
anmelden; der kleine Friedhof liegt hinter der Schulhofmauer und ist nur über dessen
Gelände zugänglich. Der Schlüssel wird nur zögernd ausgehändigt, aus Angst vor
Vandalismus, dessen Anzeichen wir leider auch festgestellt haben. Nebst Mark
und seiner Frau Carol war eine weitere Freundin mit dabei und da hat sich
herausgestellt, dass sie selber aus der Hodgkin Familie stammt! Margret ist eine Engländerin, die vor vielen Jahren hier
hängengebleiben ist. ("Hängenbleiben" umschreibt in der deutschensprachigen
Gemeinde im Land den Einwanderungsgrund "Liebe", im Gegensatz zur jüdisch-zionistischen
Einwanderung.) Das erklärt auch die christlich-protestantische Verwandtschaft
von Margret und Dr. Hodgkin. Margret hat uns verschiedene Anektoten aus ihrer
berühmten Familie erzählt, die, wie sich herausstellte, zwei Nobelpreise
gewonnen hat und zwei bekannte Maler hervorgebracht hat.
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Margret am Grab ihres Vorfahrs Dr.Thomas Hodgkin |
Aber wie in aller Welt kommt Dr.
Thomas Hodgkin nach Jaffa, ein tiefreligiöser Londoner Quäker, Forscher und
Pädagoge, laut verschiedenen Quellen ein komischer Kauz? Er begleitete den
jüdischen Bankier und Philantrop Sir Moses Montefiore auf seinen Reisen ins
Heilige Land als Leibarzt, erkrankte an Dysenterie (Ruhr) und starb hier, im
Jahre 1866. Auf dem gleichen Friedhof ist auch die Gründerin der Tabithaschule,
Jane Walker-Arnott, auch sie eine Engländerin,
begraben.
Mein Freund Mark, in Afrika geboren
und aufgewachsen, verweilte sehr lange, in Gedanken vertieft, am Grabe seines
Kollegen.
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Von links nach rechts: Mark, Carol, Regula und Margret. Fotografien stammen von Chaim, der auch den Anstoss zu diesem Blog gegeben hat. |