Thursday, May 22, 2014

Jaffa und das Hodgkin-Lymphom

Die hier folgende Geschichte erzählt etwas ganz Undramatisches, eine kleine Geschichte von Menschen, die zu verschiedenen Zeiten ans Ufer des östlichen Mittelmeeres gespült wurden.

Lest die Überschrift nochmals – Jaffa und das Hodkin-Lymphom. Was haben Jaffa, die 5000 Jahre alte Schwester von Tel Aviv und eine erstmals im Jahre 1832 vom englischen Arzt Dr. Thomas Hodgkin beschriebene und nach ihm benannte Krebserkrankung gemeinsam? Mark, ein alter Freund von mir und selber Arzt, hat mich darauf hingewiesen, dass dieser besagte Dr. Hodgkin (1798 – 1866) auf dem protestantischen Friedhof in Jaffa begraben ist. Diesen Friedhof haben wir kürzlich besucht.

Alte Friedhöfe sind herrliche Objekte für Führungen, man kann da wunderbar in alten Geschichten rühren, und sie erzählen auch die Geschichte des Totenkultes der jeweiligen Kulturen. Auf Korsika bauen die Lebenden ihren Toten richtiggehende Paläste. Im Wallis habe ich einen Dorffriedhof entdeckt, auf dem die hunderte von Gräbern zum grössten Teil die gleichen sechs Familiennamen tragen; die Inzucht lässt da ganz herzlich grüssen. In Berlin habe ich beim Besuch eines jüdischen Friedhofs das Familiengrab eines Arbeitskollegen entdeckt.

Der Eingang zur Tabithaschule 
Für den Besuch des protestantischen Friedhofs mussten wir uns bei der christlich-schottischen Tabithaschule anmelden; der kleine Friedhof liegt hinter der Schulhofmauer und ist nur über dessen Gelände zugänglich. Der Schlüssel wird nur zögernd ausgehändigt, aus Angst vor Vandalismus, dessen Anzeichen wir leider auch festgestellt haben. Nebst Mark und seiner Frau Carol war eine weitere Freundin mit dabei und da hat sich herausgestellt, dass sie selber aus der Hodgkin Familie stammt! Margret ist eine Engländerin, die vor vielen Jahren hier hängengebleiben ist. ("Hängenbleiben" umschreibt in der deutschensprachigen Gemeinde im Land den Einwanderungsgrund "Liebe", im Gegensatz zur jüdisch-zionistischen Einwanderung.) Das erklärt auch die christlich-protestantische Verwandtschaft von Margret und Dr. Hodgkin. Margret hat uns verschiedene Anektoten aus ihrer berühmten Familie erzählt, die, wie sich herausstellte, zwei Nobelpreise gewonnen hat und zwei bekannte Maler hervorgebracht hat. 
Margret am Grab ihres Vorfahrs
Dr.Thomas Hodgkin 

Aber wie in aller Welt kommt Dr. Thomas Hodgkin nach Jaffa, ein tiefreligiöser Londoner Quäker, Forscher und Pädagoge, laut verschiedenen Quellen ein komischer Kauz? Er begleitete den jüdischen Bankier und Philantrop Sir Moses Montefiore auf seinen Reisen ins Heilige Land als Leibarzt, erkrankte an Dysenterie (Ruhr) und starb hier, im Jahre 1866. Auf dem gleichen Friedhof ist auch die Gründerin der Tabithaschule, Jane Walker-Arnott, auch sie eine Engländerin, begraben.


Mein Freund Mark, in Afrika geboren und aufgewachsen, verweilte sehr lange, in Gedanken vertieft, am Grabe seines Kollegen.

Von links nach rechts: Mark, Carol, Regula und Margret.
Fotografien stammen von Chaim, der auch den
Anstoss zu diesem Blog gegeben hat.