.....ist vieles erlaubt. Alles wird dem Machterhalt und dem Versuch untergeordnet, sich nicht vor Gericht verantworten zu müssen. Die Vorwürfe sind gravierend, Korruption, Betrug und Machtmissbrauch können den Angeklagten für Jahre hinter Gitter bringen. Das sind durchaus nicht rosige Aussichten für unseren Regierungschef. Dazu kommen in den letzten Monaten die Anti-Regierungsdemonstrationen, die den Chef und seine Familie beunruhigen, da sie gleich neben ihrer Residenz an der Balfourstrasse in Jerusalem stattfinden, 2-3 Mal pro Woche.
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Misstrauensvotum: Lügner |
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Begegnung mit den Friedensfrauen |
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Balfour-Demo Jerusalem. Gleich um die Ecke liegt die offizielle Residenz des Angeklagten. |
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Caesarea, in der Nähe der Privatresidenz des Angeklagten |
Der 2.
Lockdown ist ein politischer Lockdown. Es hätte anders sein können. Wie in
anderen Ländern hätte man die «roten» Städte, diejenigen mit hohen
Ansteckungsraten, mit lokalen Einschränkungen und Lockdowns belegen können. Hierzulande
werden diese Städte zum grossen Teil von ultra-orthodoxen Juden bewohnt, die
das Rückgrat des Angeklagten in der Regierungkoalition bilden, seine «natürlichen
Partner». Also keine Einschränkungen, bis die Ansteckungsraten so hoch wurden, das
keine andere Wahl blieb, als die ganze Bevölkerung kollektiv mit einem Lockdown
zu bestrafen.
Die Stimmung im Lande reicht von Wut zu Depression, Angst um das Einkommen, Auseinandersetzung mit Kindern, die seit Monaten kaum zur Schule gehen, Eltern, die verzweifelt zwischen Homeoffice, Arbeitslosigkeit und Kinderbetreuung jonglieren, alte Menschen, die vereinsamen und von Angst umgetrieben werden, sich anzustecken. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen des 2. Lockdowns werden gravierend sein. Diese Woche haben Ladenbesitzer im armen Süden von Tel Aviv ihre Habe auf die Strasse getragen und verbrannt.
Von der
Weltöffentlichkeit wenig beachtet, geschehen hier Dinge, die zu einem grossen
Vertrauensbruch zwischen den Regierenden und der Verwaltung auf der einen Seite
und der Bevölkerung auf der anderen Seite geführt haben. Dieser Prozess hat
schon lange vor der Coronakrise begonnen, wurde nun aber deutlich verschärft.
Seit 2
Jahren haben wir kein Staatsbudget. Nun wird um das Budget 2021 gerangelt, das
so dringend nötig wäre als Arbeitsplan für die Regierung. Ohne Budget kann man erstens
zu gegebener Zeit Neuwahlen ausrufen und zweitens beliebig Geld verteilen, wenn
verschiedene Lobbyisten und Bevölkerungsgruppen beruhigt werden müssen. Neuwahlen, 4. Rundgang
in weniger als 2 Jahren? Gekoppelt mit den Gerichtsverhandlungen des
Angeklagten, die im Dezember oder Januar beginnen, gibt ihm das neues
Schlupfloch für eine weitere Übergangsregierung.
Seit 2
Jahren haben wir keinen Polizeikommissar, diese Schlüsselstellung wird von
einem Stellvertreter gehalten. Der Polizeiminister ist ein Lakai des
Regierungschefs, eine sehr schlaue Ernennung. Vorher leitete er das
Justizministerium, interessant. Die Polizeiübergriffe auf die Demonstranten an
den Antiregierungs-Protesten werden immer brutaler, weil es welche bei der
Polizei gibt, die gerne diesen obersten Job möchten. Die Polizei wird als
Machtwerkzeug politisiert und missbraucht. Grossveranstaltungen der ultra-orthodoxen
Gemeinden werden geduldet, es soll geheime Abkommen zwischen den Rabbinern und
der Polizei geben. Coronaansteckungen in diesen Gemeinden sind weiterhin sehr
hoch.
Seit 2
Jahren haben wir keinen Staatsanwalt, der Angeklagte darf wegen Interessenskonflikten
keinen ernennen. Die Staatsanwaltschaft wird von den zum grossen Teil vom
Angeklagten kontrollierten Medien bezichtigt, mit dem «Deep State»
zusammenzuarbeiten, damit der Regierungschef ins Gefängnis kommt. Die Richterinnen
im Prozess gegen den Angeklagten, sowie der Generalstaatsanwalt Avichai
Mendelblit, der sich nach langem Zögern für eine Anklage des Regierungschefs entschieden
hat, werden bedroht und müssen polizeilich geschützt.
Den Vogel
abgeschossen hat diese Woche ein führender Funktionär der Regierungspartei, der
als Geschäftsführer des Parlamentes amtiert. Er meinte, dass der
Generalstaatsanwalt Mendelblit seine Anklage gegen den Regierungschef
zurückziehen solle, ansonsten werden Videos publiziert, die ihn der Korruption überführen
könnten. Sizilien’s Mafia kann davon etwas lernen.
Reihenweise
werden Politiker und hohe Beamte erwischt, die sich nicht an die von ihnen
selber aufgestellten Regeln und Notstandsgesetze halten. Auf das Verleugnen folgt
eine lauwarme Entschuldigung im Stil von «ich habe es nicht gewusst». Hat
jemand mal daran gedacht, dass er seine Stellung künden sollte?
Bananenrepublik.
Machtmissbrauch. Mafiöse Handlungen. Kontrollierte Massenmedien. Mit langer
Hand aufgebaute Konzentration der Entscheidungsgewalt beim Regierungschef. Hörige
Lakaien. Das Prisma «wie zieh ich meinen Kopf aus der Schlinge der Justiz»
rechtfertigt alles.
Aber: irgendwo
da draussen gibt es 9 Millionen Menschen, gibt es mehr als 1 Million
Arbeitslose, eine Gesundheits- und Wirtschaftskrise ohnegleichen. Mir persönlich ist das Vertrauen in die Regierung und die Behörden völlig abhanden gekommen, und das finde ich traurig und bedenklich. Gerne hätte ich es anders.
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Mit Ehemann Chaim an der nächsten Kreuzung während des Lockdown |
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Arbeitslos seit dem 6. März 2020, aber vielgeschäftigt. |