Monday, July 7, 2014

Gesucht wird - Goethe's Hexenmeister

In der Schule haben wir nicht wenig Gedichte gelernt, die meisten habe ich vergessen, nur der Zauberlehrling von Goethe ist mir gegenwärtig. Der Hexenmeister ist ausgegangen und hat seinen Lehrling beauftragt, Wasser für ein Bad zu holen, vom Fluss. Der aber ist zu faul, will sich auch in der Kunst des Zaubern üben und befiehlt dem alten Besen in der Ecke, das Wasser an seiner Stelle zu holen.

Walle! walle
Manche Strecke,
Dass, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
 Zu dem Bade sich ergieße.

Entführt und ermordet: Eyal, Gilad, Naftali, Mohammed.


Vor 3 Wochen wurden 3 jugendliche Israelis, Eyal, Gilad und Naftali, an einer Kreuzung des Siedlungsgebietes Gush Etzion im Westjordanland, westlich von Hebron, gekidnappt. Eine berührende Eigenschaft der israelischen Gesellschaft ist das Zusammengehörigkeitsgefühl in schweren Tagen. Eine ganze Nation hat diese jungen sympathischen Menschen umarmt, adoptiert, man hat gebetet und gehofft, dass man sie lebend wieder findet. In allen Medien, von Tel Aviv bis New York waren sie allgegenwärtig, auf den Bahnhöfen wurden Flyer verteilt, an der Klagemauer in Jerusalem wurde gebetet, auf dem Rabinplatz in Tel Aviv, dem traditionellen Ort der linken Demonstrationen, gab es eine Kundgebung. Das Ganze entwickelte sich zu einer überspannten Massenhysterie, derer man nicht entfliehen konnte oder auch nicht wollte.

Seht, er läuft zum Ufer nieder,
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.

Die meisten israelischen Politiker, die ganze Mitte-Rechts- bis sehr-Rechts-Regierung, sie alle haben keine Chance ausgelassen, diese traurige Angelegenheit politisch und militärisch auszuschlachten, von fragwürdigen Gesetzgebungen, die im Schnellverfahren in der Knesset verabschiedet wurden bis zu massiven Verhaftungen von Hamasmitgliedern im Westjordanland. Und aufs Feuer der nationalen Massenhysterie wurde immer neu Öl gegossen. Man zählte die Tage seit der Entführung, die antiarabischen Bemerkungen schlugen besonders hohe Wellen, die Hamas wurde ebenso beschuldigt (zu Recht, die Entführer sind Mitgleider einer Hamaszelle in Hebron) wie Mahmud Abbas die Verantwortung zur sicheren Heimkehr der drei Jugendlichen aufgebürdet.

Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!

Und dann kam die grosse Ernüchterung, die Leichen wurden gefunden, kurz nach der Entführung bereits erschossen. Eine Nation in Trauer, es sind ja unserer aller Kinder, Tränen, Kerzen, Gedenkfeiern, eine Bestattung mit drei Särgen, auf allen Fernsehsendern übertragen. Nur auf dem arabischen Fernsehkanal wurde die WM übertragen - Argentinien-Schweiz.

Aber auch - eine Nation in Wut, die zur Rache an den Palästinensern, zur Todesstrafe für Terroristen aufruft, Extremisten, die einen Rachefeldzug durch die Weststadt von Jerusalem auf der Suche nach Arabern machen, die dort in Restaurants arbeiten und von der Polizei beschützt werden müssen. Raketen aus Gaza, Vergeltungschläge unserer Luftwaffe, und dann wird ein arabischer Jugendlicher, Mohammed aus dem Ostjerusalemer Viertel Shoafat, tot in einem Wald in der Weststadt gefunden. Die Polizei ermittelt, aber nach wenigen Tagen ist so gut wie sicher, dass er von Juden verschleppt und ermordet wurde.

Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen!

Und jetzt, nachdem der Besen immer mehr Wasser ins Haus gebracht hat, die Raketen im Süden immer noch einschlagen, arabische Jugendliche und die Polizei sich Strassenschlachten liefern in Jerusalem, die Spannung auch in den arabischen Siedlungsgebieten im Norden und im Zentrum des Landes spürbar ist, und Vermutungen über eine eventuelle dritte Intifada angestellt werden? Wie lautet der Befehl, den Besen wieder in die Ecke zu stellen?

Ach, ich merk es! Wehe, wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!

Eine verantwortliche Regierung hätte die Gemüter bereits in den ersten Anfängen beruhigen und die Stimmung nicht immer mehr aufheizen sollen. Der Kopf dieser Regierung, Ministerpräsident Netanyahu, ist eigentlich kein Zauberlehrling mehr, nach beinahe 10 Jahren im Amt sollte er ein ausgereifter Meister seines Faches sein, er hat jedoch kräftig mitgemischt und die Stimmung mitdirigiert.

Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist gross!
Die ich rief, die Geister,
werd ich nun nicht los.

Wer ist nun, in dieser neuen Version des israelisch-palästinensischen Dramas, der alte Meister, der den Besen wieder in die Ecke stellt? Ich weiss es nicht.

In die Ecke
Besen, Besen!
Seids gewesen,
denn als Geister
ruft euch nur zu seinem Zwecke

erst hervor der alte Meister

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