Tuesday, January 26, 2021

Hinter den Kulissen der Impfkampagne

Mitte Januar habe ich meinem Ehemann Chaim eine whatsapp Nachricht weitergeleitet. Ein israelischer Arzt beschreibt da, dass die geimpfte Bevölkerung des Staates Israel, in Zusammenarbeit mit Pfizer, die den Impfstoff geliefert haben, an einer «post approval study» teilnimmt. Unten die Antwort von Chaim:



Übersetzt: ich bin ein glückliches Versuchskaninchen


Zuerst waren es nur Gerüchte, nach den Informationen über den Sozialmedien ist es jetzt in den öffentlichen Medien und vom Gesundheitsministerium offiziell bestätigt worden, der Vertrag kann online gelesen werden, ein 20-seitiges Dokument. Pfizer und das Gesundheitsministerium des Staates Israel haben einen Vertrag ausgehandelt, in dem medizinische Daten der geimpften Bevölkerung zur Auswertung an Pfizer weitergegeben werden. Datenschutz? Privatspäre? Helskinki Ausschuss für Menschenrechte? https://govextra.gov.il/media/30806/11221-moh-pfizer-collaboration-agreement-redacted.pdf

Achselzuckend meint meine gewöhnlich sehr kritische Nachbarin: «Das ist mir egal, das sind anonyme Daten. Ich will mich endlich wieder frei bewegen können.» Wir sitzen nämlich im 3. Lockdown, beginnen die 5. Woche, glaube ich, aber wer zählt überhaupt noch?

Israel hat prozentual weltweit am meisten Menschen geimpft, eine imposante Leistung, auch in den ausländischen Medien viel und anerkennend diskutiert. Ein etwas anderes Gesundheitssystem, viel Improvisationsgeist und ein unglaublicher Einsatz von Menschen im Gesundheitswesen haben dies ermöglicht. Dieses «etwas andere» Gesundheitssystem sieht so aus: es gibt 4 HMOs (Health Maintenance Organisations, übersetzt «Organisationen zur Erhaltung der Gesundheit»). Diese Organisationen sind Überreste aus den sozialistischen Anfängen des Staates, die sich durch Gesetzgebung und Wettbewerbssituation zu sehr effizienten Organisationen entwickelt haben. Seit den 90er Jahren sind alle Staatsbürger per Gesetz Mitglied einer HMO. Die Finanzierung wird über die Nationalversicherung abgewickelt, die die Beiträge vom Bruttoeinkommen (3.1% - 5%, je nach Einkommen) abzieht, und je nach Grösse der Mitgliederzahl, an die HMOs weiterleitet.

Per Email zugeschickt: Werbung für Impfkampagne

Praktisch sieht das so aus: wir wohnen in einem Dorf, da gibt es eine kleine Krankenstation der grössten HMO. Im Nachbardorf, etwas grösser, haben alle 4 HMOs ihre Krankenstationen, mit Haus- und Kinderarzt, Krankenpfleger, interne Apotheke, und 1-2 Mal in der Woche verschiedene Spezialärzte. In der 6 km entfernten Stadt Nethania kriegt man umfassende Dienstleistungen rund um die Gesundheit. Diese sind prinziell kostenlos, auch der Krankenhausaufenthalt. Für Medikamente sowie besondere Dienstleistungen bezahlt man ein kleines Aufgeld.

Das Gesetz ermöglicht bedingungslosen Wechsel von einer Organisation zur anderen, ohne irgendwelche wenn und aber. Diese Wettbewerbssituation hat dazu geführt, dass alle HMOs versuchen, neue Kundschaft durch gute Dienstleistungen anzuwerben. Dazu gehört u.a. eine umfassende Digitalisierung des Gesundheits- und Krankengeschichte jedes Versicherten. Ich kann meiner persönlichen Hausärztin via HMO App schreiben, Medikamente bestellen, Blutuntersuche der letzten Jahre vergleichen, Arzttermine vereinbaren. Es wird viel in präventative Vorsorge investiert, ich erhalte SMS mit Aufruf für eine Mamografie, Grippeimpfung, Blutteste, etc. Seit 20 Jahren werden systematisch alle Daten gespeichert.

Die HMOs spielen in der Corona-Impfung eine sehr zentrale Rolle, in der Organisation der Impfkampagne selber und eben auch beim Weiterleiten der Daten an Pfizer. Meine Freundin in Tel Aviv erzählt mir, dass sie im Parkhaus eines Einkaufszentrums geimpft wurde, Stockwerk Minus Eins. Das ist israelische Improvisation. Das Einkaufszentrum ist wegen Corona geschossen, warum also nicht?


Impfstation auf Stockwerk Minus Eins,
Parkhaus des Einkaufszentrums









Verschiedene Dinge haben Pfizer veranlasst, Israel als Versuchskaninchen* auszuwählen:

  •       die oben beschriebene Effizienz der HMOs
  •       die Existenz einer grossen Datenbank und die Bereitschaft, diese digitalen Daten  weiterzuleiten
  •       ein kleines Land mit guter Logistik zur Verteilung des Impfstoffes, der bei -70 Grad gelagert werden muss
  •       eine vielfältige Bevölkerung, die sich für eine umfassende Studie eignet

Offenbar haben wir auch etwas mehr für den Impfstoff bezahlt, aber was bedeuten diese Zahlen im Vergleich zur Lockdown-Wirtschaft mit 1 Million Arbeitslosen, geschlossenen Geschäften, Restaurants und Schulen, kollabiertem Kulturwesen und Tourismus, eingeschlossenen Menschen, überlasteten Krankenhäusern? Wie sagen die Amerikaner: those are peanuts.

15-minütige Wartezeit nach der Impfung
Ich erhielt am 25.1.2021 meine 2. Pfizer-Impfung.




* Kleiner Auszug aus dem Vertrag zwischen Pfizer und dem israelischen Gesundheitsministerium:
W
HEREAS, the Parties agree that it would be highly beneficial from a public health perspective to track pandemic data in accordance with vaccination compliance in a Real-World context to evaluate whether herd immunity protection is observed during the Product vaccination program rollout.

 

 

Sunday, October 18, 2020

Wenn ein Angeklagter ein Land regiert.....

 .....ist vieles erlaubt. Alles wird dem Machterhalt und dem Versuch untergeordnet, sich nicht vor Gericht verantworten zu müssen. Die Vorwürfe sind gravierend, Korruption, Betrug und Machtmissbrauch können den Angeklagten für Jahre hinter Gitter bringen. Das sind durchaus nicht rosige Aussichten für unseren Regierungschef. Dazu kommen in den letzten Monaten die Anti-Regierungsdemonstrationen, die den Chef und seine Familie beunruhigen, da sie gleich neben ihrer Residenz an der Balfourstrasse in Jerusalem stattfinden, 2-3 Mal pro Woche.

Misstrauensvotum: Lügner
Begegnung mit den Friedensfrauen
Balfour-Demo Jerusalem. Gleich um die Ecke liegt
die offizielle Residenz des Angeklagten.


Caesarea, in der Nähe der Privatresidenz des Angeklagten


Mitte September 2020 wurden 9 Millionen Menschen, ein ganzes Land, in den 2. Lockdown geschickt, nachdem Israel weltweit mit den höchsten Ansteckungsraten pro Kopf brillierte. Auch Demonstrationen wurden eingeschränkt, auf 1 km von Zuhause. Letztes Wochenende haben landesweit 210,000 Menschen demonstriert, auf Hunderten von Plätzen und an Kreuzungen, die Zahl wächst jede Woche. Diese Woche waren es bereits 260,000.

Der 2. Lockdown ist ein politischer Lockdown. Es hätte anders sein können. Wie in anderen Ländern hätte man die «roten» Städte, diejenigen mit hohen Ansteckungsraten, mit lokalen Einschränkungen und Lockdowns belegen können. Hierzulande werden diese Städte zum grossen Teil von ultra-orthodoxen Juden bewohnt, die das Rückgrat des Angeklagten in der Regierungkoalition bilden, seine «natürlichen Partner». Also keine Einschränkungen, bis die Ansteckungsraten so hoch wurden, das keine andere Wahl blieb, als die ganze Bevölkerung kollektiv mit einem Lockdown zu bestrafen.

Die Stimmung im Lande reicht von Wut zu Depression, Angst um das Einkommen, Auseinandersetzung mit Kindern, die seit Monaten kaum zur Schule gehen, Eltern, die verzweifelt zwischen Homeoffice, Arbeitslosigkeit und Kinderbetreuung jonglieren, alte Menschen, die vereinsamen und von Angst umgetrieben werden, sich anzustecken. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen des 2. Lockdowns werden gravierend sein. Diese Woche haben Ladenbesitzer im armen Süden von Tel Aviv ihre Habe auf die Strasse getragen und verbrannt.

Von der Weltöffentlichkeit wenig beachtet, geschehen hier Dinge, die zu einem grossen Vertrauensbruch zwischen den Regierenden und der Verwaltung auf der einen Seite und der Bevölkerung auf der anderen Seite geführt haben. Dieser Prozess hat schon lange vor der Coronakrise begonnen, wurde nun aber deutlich verschärft.

Seit 2 Jahren haben wir kein Staatsbudget. Nun wird um das Budget 2021 gerangelt, das so dringend nötig wäre als Arbeitsplan für die Regierung. Ohne Budget kann man erstens zu gegebener Zeit Neuwahlen ausrufen und zweitens beliebig Geld verteilen, wenn verschiedene Lobbyisten und Bevölkerungsgruppen beruhigt werden müssen. Neuwahlen, 4. Rundgang in weniger als 2 Jahren? Gekoppelt mit den Gerichtsverhandlungen des Angeklagten, die im Dezember oder Januar beginnen, gibt ihm das neues Schlupfloch für eine weitere Übergangsregierung.

Seit 2 Jahren haben wir keinen Polizeikommissar, diese Schlüsselstellung wird von einem Stellvertreter gehalten. Der Polizeiminister ist ein Lakai des Regierungschefs, eine sehr schlaue Ernennung. Vorher leitete er das Justizministerium, interessant. Die Polizeiübergriffe auf die Demonstranten an den Antiregierungs-Protesten werden immer brutaler, weil es welche bei der Polizei gibt, die gerne diesen obersten Job möchten. Die Polizei wird als Machtwerkzeug politisiert und missbraucht. Grossveranstaltungen der ultra-orthodoxen Gemeinden werden geduldet, es soll geheime Abkommen zwischen den Rabbinern und der Polizei geben. Coronaansteckungen in diesen Gemeinden sind weiterhin sehr hoch.

Dieses Bild stammt aus den Sozialen Medien. Eine 17-jährige junge Frau wird von einem Undercover Polizist brutal in ein Auto geschoben. Dieses Bild schmerzt mich mehr als alles jetzt publizierte. Ich frage mich, was in den Köpfen der Polizisten, die da alle glotzen, vorgeht.
Publizistin: Ketty Bar, Gründerin der Organisation "Mütter gegen Polizeigewalt". 


Seit 2 Jahren haben wir keinen Staatsanwalt, der Angeklagte darf wegen Interessenskonflikten keinen ernennen. Die Staatsanwaltschaft wird von den zum grossen Teil vom Angeklagten kontrollierten Medien bezichtigt, mit dem «Deep State» zusammenzuarbeiten, damit der Regierungschef ins Gefängnis kommt. Die Richterinnen im Prozess gegen den Angeklagten, sowie der Generalstaatsanwalt Avichai Mendelblit, der sich nach langem Zögern für eine Anklage des Regierungschefs entschieden hat, werden bedroht und müssen polizeilich geschützt.

Den Vogel abgeschossen hat diese Woche ein führender Funktionär der Regierungspartei, der als Geschäftsführer des Parlamentes amtiert. Er meinte, dass der Generalstaatsanwalt Mendelblit seine Anklage gegen den Regierungschef zurückziehen solle, ansonsten werden Videos publiziert, die ihn der Korruption überführen könnten. Sizilien’s Mafia kann davon etwas lernen.

Reihenweise werden Politiker und hohe Beamte erwischt, die sich nicht an die von ihnen selber aufgestellten Regeln und Notstandsgesetze halten. Auf das Verleugnen folgt eine lauwarme Entschuldigung im Stil von «ich habe es nicht gewusst». Hat jemand mal daran gedacht, dass er seine Stellung künden sollte?

Letzten Samstag nach den Demonstrationen haben wir zum 1. Mal seit langer langer Zeit den Fernseher angestellt, um zu sehen, was darüber berichtet wird. Auf dem einen Kanal wurde der Polizeiminister interviewt. Nach einigen Minuten wechselten wir angewidert auf einen anderen Kanal über. Da wurde der Geschäftsführer des Parlamentes interviewt. Das wars dann,TV abgestellt. In Deutschland nennte man das mal Gleichschaltung.

Bananenrepublik. Machtmissbrauch. Mafiöse Handlungen. Kontrollierte Massenmedien. Mit langer Hand aufgebaute Konzentration der Entscheidungsgewalt beim Regierungschef. Hörige Lakaien. Das Prisma «wie zieh ich meinen Kopf aus der Schlinge der Justiz» rechtfertigt alles.

Aber: irgendwo da draussen gibt es 9 Millionen Menschen, gibt es mehr als 1 Million Arbeitslose, eine Gesundheits- und Wirtschaftskrise ohnegleichen. Mir persönlich ist das Vertrauen in die Regierung und die Behörden völlig abhanden gekommen, und das finde ich traurig und bedenklich. Gerne hätte ich es anders.

Mit Ehemann Chaim an der nächsten
Kreuzung während des Lockdown

Arbeitslos seit dem 6. März 2020, aber vielgeschäftigt.



Sunday, February 2, 2020

Hier und da im Lande Israel


Die Reisesaison im Herbst 2019 hat mich mit meinen Gruppen zu verschiedenen neuen Orten im Lande Israel gebracht, und hat mich mit einer Reihe von Begegnungen und Meinungen konfrontiert, denen ich im Kreise von Familie und Freunden nicht ausgesetzt bin. Normalerweise leben wir in einem sozialen Umfeld, in der wir uns wohlfühlen, wir konsumieren die «richtigen» Medien, die unsere Meinungen stärken. Konfrontiert mit anderen Ideen und Ideologien werden wir, und auch da nur am Rande, in den Sozialmedien.
Auf meinen Reisen begegne ich neben den vielen deutschsprachigen Touristen Palästinensern, die wie ich im Tourismus arbeiten, in Israel und im Westjordanland, ich begegne Reiseleiterkollegen, Siedlern, religiösen und anderen Gruppenleitern. Was ich unten darstelle, ist nichts Dramatisches oder Systematisches, es ist einfach ein Kaleidoskop von Eindrücken aus diesem so fazettenreichen Land.
    Auf dem Markt in Nethania
  •     Ich steige mit 2 Touristen in ein Taxi in der Weststadt von Jerusalem und bitte den Fahrer, uns zum Löwentor zu fahren, das in Ostjerusalem liegt. Er meint, dass er da eigentlich nicht hinfahre. Aha, dies ist also ein jüdischer Israeli, und er hat Bedenken, Angst, in den arabischen Teil der Stadt zu fahren. Angst ist im Konflikt ein sehr zentrales Thema.
  •      Ich stehe am Bankomat in Nethania, um Bargeld einzuzahlen. Ich zögere ein bisschen, das ist keine Tätigkeit, die ich jeden Tag mache. Sofort will man der ergrauten Frau zu Hilfe kommen, einer mit französischem Akzent berät mich von der linken Seite, der russische Akzent kommt von der rechten Seite, gut gemeint. Ich zahle meinen Barbetrag ein, es geht auch ohne Hilfe der Neueinwanderer. Ich verlasse die Bank mit einem grossen Schmunzeln. Stellt Euch sowas in Europa vor, wo Privatsphäre eher respektiert wird.
Warten auf die Taxis
  •     Der Taborberg kann nur mit Minibussen erreicht werden, während der Hochsaison wird das zur Herausforderung für uns Reiseleiter mit Gruppen. Lange Wartezeiten vor den Taxen sind die Regel, laute Diskussionen ebenfalls, unten am Berg und auch oben. Ich verteidige meine Gruppe gegen einen von hinten vordrängenden Priester, damit meine Gruppe zuerst ins Taxi einsteigen kann. Drohend erhebt er die Hand gegen mich, gleich zwei Mal, weil ich nicht bereit bin, ihn vorzulassen. Er ist mindestens ein Kopf grösser als ich. Eine Frau aus seiner Gruppe entschuldigt sich im Taxi über sein Betragen.
Orientalische Weihnachtsbeleuchtung
  •     Mein drusischer Busfahrer Marzuk (ethnische Minderheit, loyal dem Staat Israel gegenüber) fährt uns durch Nazareth, die grösste arabisch-palästinensische Stadt im Kernland Israels. Der Verkehr ist hier immer chaotisch, sogar dreifach parken gibt es hier. Marzuk kurvt durch das Chaos auf der Paulus XI. Strasse und meint: «guck dir mal das an, und die (gemeint sind die Palästinenser) wollen ihren eigenen Staat. Wie meinen die eigentlich, wie das funktionieren soll?»
  •     Etwas später in Nazareth, auf dem Verkehrskreis unterhalb der Basilika, um 15.30 Uhr: der Platz ist herrlich kitschig für Weihnachten geschmückt, so ist das im Orient, und der Muezzin mit einer wunderschönen Stimme ruft zum Nachmittagsgebet. Freude erfüllt mich: so soll es sein, wir befinden uns mitten im jüdischen Staat, und alle haben ein Anrecht auf ihre Traditionen, mit gutem Willen ist vieles möglich.
Das erste Schriftzeichen
  •       In Maschad, einem arabischen Dorf nebenan Nazareth, möchten wir die Moschee besuchen. Sie wird renoviert, wir kommen mit dem Baumeister ins Gespräch, dann tritt der Künstler Jamil Anbatani zu uns. Jamil ermöglicht uns, die Moschee zu betreten, obwohl es eine Baustelle ist. Er wird mit dem Hebekran in den Dom gehoben und wir werden Zeugen der ersten Schriftzeichen, die neu gemalt werden. Wir sind richtige Glückspilze. Hier ein Link zu seinen Arbeiten.
    https://www.youtube.com/watch?v=6JcJi6CRj7k&t=60s
  •      Wir treffen Jalila in einem gepflegten arabisch-muslimischen Dorf im Norden Israels. Sie unterrichtet an der örtlichen Schule, arbeitet viel mit jungen Mädchen, und setzt sich für ihre Emanzipation ein. Als Kleinunternehmerin bewirtet sie Gäste in ihrem Haus. Bewegend ist ihre persönliche Geschichte: sie hat sich von ihrem Mann scheiden lassen, als er eine zweite Frau geheiratet hat. Sie meint, dass der Staat Israel ihre Rechte schützt.  https://www.facebook.com/galilafood/
  •     Ich checke eine Gruppe Touristen am Flughafen ein. Der vor mir stehende Mann fragt mich auf Hebräisch, ob er hier richtig stehe für Lufthansa. Ich deute auf das Schild und antworte ihm: «guck dort, da steht es doch geschrieben». Seine Antwort lautet: «ich kann das nicht lesen». Er ist ein orthodoxer jüdischer Israeli, der in seiner vom Staat Israel finanzierten orthodoxen Schule weder Mathe noch Englisch noch Wissenschaften lernt, sondern nur religiöse Studien. Diese Fakten gebe ich mit viel Herzblut und Kritik an meine Touristen weiter. Nun steht ein lebendiges Beispiel vor mir, ein gebildeter Mann, der das einfache Schild «Lufthansa» nicht lesen kann.
    Es  weihnachtet in Bethlehem
  •   In der jüdischen Siedlung Shilo im Westjordanland, wo laut der Überlieferung die Bundeslade stand, deutet unser lokaler Reiseleiter auf die Umgebung: hier liegt das palästinensische Dorf A, dort Dorf B, sie sind auf ehemaligen Dörfern aus der Kreuzritterzeit gebaut. Dorf C wurde auf einem ehemaligen jüdischen Dorf errichtet. Auf der Weiterfahrt spreche ich meinen Gruppenleiter darauf an, beide finden wir, dass mein Kollege aus der Siedlung durch seine Aussage den palästinensischen Dörfern die Legitimität abspricht.
  •  Bei der Durchfahrt durchs palästinensische Beit Jala im Westjordanland erzähle ich einer Gruppe über die Begegnung mit dem dortigen Bürgermeister vor 2 Jahren. Er hat uns über die Besatzung, die Landenteignungen unterrichtet, über die fehlenden Perspektiven. Ich tue mich jedoch auch schwer mit der pal. Opferhaltung und dem ewigen Gejammer. Es ist bequem, dann muss man selber nichts tun. Meint die hinter mir sitzende Gruppenleiterin: «Du triffst Dich eben nicht mit den richtigen Leuten.» Na, immerhin ist er der Bürgermeister.
  •    Und zum Abschluss etwas, das mir das Herz erwärmt hat. Ich sitze am Shabbat im Sammeltaxi von Nethania nach Tel Aviv. Die meisten Mitfahrer sind Fremdarbeiter, Philippinas und Schwarzafrikaner. Der Taxifahrer ist ein älterer frommer Palästinenser muslimischen Glaubens. Eine Philippinerin steigt aus und verabschiedet sich vom Busfahrer: «Shabbat Shalom». Er grüsst mit einem warmherzigen «Shabbat Shalom» zurück. Ich spreche ihn beim Aussteigen darauf an, und er meint: «das ist doch einfach so, von Mensch zu Mensch».
So sollten wir doch alle etwas mehr Menschen sein und etwas weniger nur unser eigenes soziales Umfeld oder unseren eigenen Stamm gelten lassen. Der Präsident des Staates Israel, Reuven Rivlin, hat dies 2015 sehr eindrücklich dargestellt.


Sunday, January 28, 2018

Frieden in Israel und Palästina, eine Utopie?


Kreuzung Kadima/Zoran
Rechts, Links, Mitte, wir
verlangen eine politische
Lösung.
Nach den verheerenden Auswirkungen des Konflikts und dem Beobachten der politischen Führer auf beiden Seiten, die immer wieder scheitern, Frieden zu bringen, glauben die Gründerinnen von Women Wage Peace, dass es Zeit ist, Maßnahmen zu ergreifen und die Stimmen von Frauen zu Gehör zu bringen. Während des Friedensmarsches im Oktober 2017 meint Yael Triedel, eine israelische Marschteilnehmerin: «Wir Frauen müssen es tun, denn niemand anderes wird es für uns tun. Die Führer haben es bisher nicht geschafft, und es liegt in unserer Verantwortung, den Frieden zu bringen.» Und Huda Abuarquob, Palästinenserführerin und Regionaldirektorin der Allianz für den Nahen Osten aus der Stadt Hebron im Westjordanland, erklärt: «wir marschieren, weil Frauen wichtig sind, weil Frauen inklusiv sind, weil wir Frauen den Führern hier so viel Vertrauen geschenkt haben und die Führer versagt haben.»








Wir weigern uns, Feindinnen zu sein
Einmal im Monat, an einem Donnerstag, erscheinen an 140 Kreuzungen in Israel kleine Gruppen von Frauen mit Plakaten, Postern und israelischen Fahnen. Während zwei Stunden winken wir den in den chronischen Staus kriechenden Fahrern zu und wünschen ihnen am letzten Arbeitstag der Woche eine gute Heimreise. Wer längere Strecken fährt, begegnet den Frauen an einer ganzen Reihe von Kreuzungen. Wir, das sind die Women Wage Peace Frauen.

Eine Gruppe engagierter Frauen der Bewegung fährt jede 2. Woche in die Knesset nach Jerusalem, um für den Frieden zu lobbieren. In Zeiten, wo Demokratien sich in Lobbykratien umwandeln, ist das eine wichtige Arbeit. Alle wollen Frieden. Das sind die Women Wage Peace Frauen.

Im Herbst, im Verlaufe der jüdischen Feiertage, marschieren viele Frauen durchs Land, es werden Veranstaltungen gehalten mit Reden, Diskussionsrunden, Musik, Tanz, viel Fröhlichkeit und Liebe. Da kommen etwas Erinnerungen an die Friedensbewegungen der 70er Jahre hoch. Die zentrale Veranstaltung findet in der Nähe von Jericho statt, wo sich palästinensische und israelische Frauen in einem gemeinsamen Zelt, dem Zelt von Sara und Hagar, treffen, 5000 Frauen und auch etwas Männer. Anschliessend marschieren Zehntausende durch Jerusalem. Eine meiner Facebook Freundinen bemerkt zu meinen FB Post, dass Sara und Hagar doch Feindinnen waren. Waren sie es wirklich? Wir Frauen der Friedensbewegung, die Saras  die Hagars, sind keine Feindinnen. Auch das sind die Women Wage Peace Frauen.

Jede Woche gibt es lokale Treffen, Diskussionsrunden, Informationsabende, Infostände in Einkaufszentren. Wir wollen wachsen, mit dem ehrgeizigen Ziel von 100,000 Mitgliedern, Frauen aus Stadt und Land, Jüdinnen und Araberinnen, Frauen aller politischen Färbungen, Rechte, Linke und Zentrumsfrauen.

Hier einige Eindrücke von der letzten Kreuzungsdemo, auf Strasse Nr. 4 zwischen Tel Aviv und Haifa, Kadima-Zoran Kreuzung:
  •           Ca. jedes 20. Fahrzeug hupt aufmunternd, Scheiben werden heruntergedreht, um uns zuzuwinken, aufmunternde Rufe schallen über die Kreuzung. Das sind (immerhin) 5% der Bevölkerung.
  •           Auffallend viele positive Reaktionen erhalten wir von Lastwagenfahrern. Viele von ihnen sind Araber, Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft, aus unseren Nachbardörfern und -städten. Vielleicht sind sie diejenigen, die den Frieden am meisten ersehnen.
  •           Frauen: es gibt Frauen, die winken, lächeln und zustimmend hupen. Andere sind mit dem Verkehr beschäftigt, und viele, so scheint es mir, sind einfach gestresst vom täglichen Leben, dem Balanceakt zwischen Arbeit und Familie.
  •           Eine Frage wird uns bei der Durchfahrt gestellt: «seid ihr dafür oder dagegen?» Immer wieder diese schwarz-weiss Betrachtungsweise. An einer Kreuzung ist ein Dialog nicht möglich. Hier ist unsere Antwort: wir sind für Gespräche, die so lange dauern sollen, bis eine Lösung gefunden wird, die für beide Seiten stimmt. Wir sind nämlich alle hier und werden auch alle hierbleiben. Niemand geht weg, und in Luft löst sich auch keiner auf. Sind wir also dafür oder dagegen? Wir sind für eine politische Lösung, weil dies der einzige gehbare Weg ist.
  •           Einmal ruft uns ein junger Mann zu, dass wir Verräterinnen an der Sache Israels seien. Das ist die extreme Seite: wer mit dem Feind spricht, ist ein Verräter. Ewig sollen wir mit dem Schwert leben. Unterscheidet sich dieser junge Mann von der Hamas im Gazastreifen?

Es mag utopisch klingen, aber wir bereiten die israelische und palästinensische Gesellschaft auf die Zeit danach vor, wenn unsere jeweiligen, jetzigen Führungen weg sind, weil sie versagt haben, und weil sie korrupt sind. Naiv, meint Ihr? In Irland und Liberia haben Frauen mit ähnlichen Friedensbewegungen viel zum Friedensschluss beigetragen. Sie sind unser Leitbild.

Protestmarsch in Jerusalem
Und hier ein Link zum Gebet der Mütter, das unsere Hoffnung ausdrückt und unsere Arbeit unterstützt:
Yael Deckelbaum mit Lubna Salame, Daniel Rubin, Miriam Tukan, Rana choir, the Hebrews.

From the North to the South, from the West to the East
Hear the prayer of the mothers, bring them peace.

Monday, June 5, 2017

Lasst uns Jerusalem unsere höchste Freude sein....

(Oder: Gedanken zum 50. Jahrestag des 6-Tagekrieges.)

Als wir vor vielen Jahren in Jerusalem geheiratet haben, habe ich diesen Spruch für unsere Trauungsanzeige gewählt. Heute, nach 50 Jahren israelischer Besatzung von Jerusalem und der Westbank (oder Befreiung, je nach politischem Blickwinkel), ist der Zeitpunkt für eine Bilanz reif. Ich stelle dazu einige Fragen, an meine israelischen Mitbürger, an den Ministerpräsidenten des Staates Israel, und nicht zuletzt auch an mich selbst.
  
Fragen an meine israelischen Mitbürger, auf der Alltagsebene der Besatzung
Wissen Sie, dass Jerusalem nach 50 Jahren eine de facto geteilte Stadt ist? Durch Mauern, soziale Unterschiede sowie unterschiedliche infrastrukturelle Investitionen, geteilt in West und Ost, in arabische und jüdische Viertel? Ah, Sie waren nie in Ostjerusalem? Natürlich nicht, es ist schliesslich gefährlich dort. Die vereinigte Stadt ist nämlich eine Illusion. 


Im Niemandsland ist auch niemand
 für Müllabfuhr verantwortlich


 
Hand-in-Hand Schule, Westjerusalem,
gepflegte Ambiance für gemeinsames
Lernen, Araber und Juden

Diesseits und jenseits der Trennlinie

 
Klagemauer


Wissen Sie, was es bedeutet, 50 Jahre unter Besatzung und Militäradministration zu leben? Auf Gutdünken ausgeliefert, in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu sein? Versuchen Sie mal, das alles von der anderen Seite zu betrachten, nicht von der Seite unserer Kinder, die wir als Soldaten an die Checkpoints schicken, um unmögliche Arbeit zu verrichten. Betrachten Sie es von der Seite des Palästinensers, der in Israel arbeitet, weil er etwas mehr verdient in unserem teuren Land, und ab 4.00 früh am Checkpoint ansteht. Stellen Sie sich die Studentin vor, die stundenlang braucht, um an ihre Uni zu gelangen, den Geschäftsmann, der sein Treffen nicht einhalten kann, weil er wieder mal nicht durchgelassen wird, zwischen Nablus und Ramallah.


An der Grenze zum Westjordanland,
zwischen Tulkarem und Bat Hefer.


Checkpoint 300, zwischen Bethlehem
und Jerusalem.
Am Mittag  menschenleer.

Wann waren Sie das letzte Mal an einem Checkpoint, an der Mauer, an einem der Zäune, deren Tore auf Gutdünken geöffnet und geschlossen werden? Der Blick ist unangenehm, das kann ich Ihnen versichern. Einfacher ist es, die nächste Auslandreise zu planen, und ausserdem mit der Illusion zu leben, dass die Besatzung inexistent ist.


Zaun, der die Siedlung Alfei Menasche schützt.


Durchgang neben Alfei Menasche,
zwischen 12-13 Uhr wird er geöffnet.


Wann haben Sie sich das letzte Mal überlegt, dass WIR die Wahl haben, es anders zu machen?


Fragen an den Ministerpräsidenten des Staates Israel, Benjamin Nethanyahu, auf Staatsebene:
Wo bleibt Ihr Demokratieverständnis? Sie waren lange ein überzeugter Demokrat, das war beruhigend. Ihre Koalition, die nicht meine ist, peitscht Gesetze durch die Knesset, die Bürgerrechte und Meinungsfreiheit immer mehr einschränken. Sie richten sich gegen die arabische Minderheit im Staat, die Medien, NGOs, die sich für Menschenrechte einsetzen, Andersdenkende. Sie unterstützen Gesetze, die die Rechte der Siedler im besetzten Westjordanland ausweiten und dadurch die Palästinenser weiter entrechten.

Parlamentssaal, Frühlingspause
Wie ist es möglich, dass Sie sich bisher vor allen Korruptionsvorwürfen schützen können? Überall riecht es nach Korruption: beim Kaufe von deutschen U-Booten, bei den Verträgen zu den Gasvorkommen im Mittelmeer, beim Erhalt von Geschenken von wohlhabenden Freunden. Wer schützt Sie? Der Staatsanwalt, Ihre einflussreichen Freunde, die Yes-Männer, mit denen Sie sich umgeben. Und Ihre eigene Gratis-Tageszeitung verkündet jeden Tag von Neuem: Halleluja Netanyahu.

Sitzung einer Schweizer Gruppe
in der Knesset
Was denken Sie sich genau, wenn Sie wieder mal hetzen? Hetzen gegen die Araber im Staat Israel, gegen die Linken, gegen die Welt und alle ihre Antisemiten, gegen die Medien, die immer weniger relevant sind, da Sie ja seit ewigen Zeiten selbst Kommunikationsminister sind. Hetze kommt immer gut an im eigenen Lager, wenn man sonst nichts zu bieten hat.

Haben Sie irgendwelche Visionen fürs die Zukunft?
Einen jüdischen Staat vom Meer bis zum Jordangraben, mit einer jüdischen Minderheit und einer entrechteten palästinensischen Mehrheit? Annektiert oder nicht annektiert? Oder vielleicht ist die Vision einfach «Netanyahu Forever».


Und zu allerletzt eine Frage an mich selbst:
Warum bleibe ich hier? Die roten Linien, die ich mir gesetzt habe, sind längstens überschritten.
Ich lebe beinahe 40 Jahre in einem Staat, der sich auf Nichtwiedererkennen verändert hat, und manchmal bin ich rat- und heimatlos. Und ich bleibe hier, trotzdem, weil meine Familie hier ist, und weil ich die Hoffnung nicht aufgebe. Etwas regt sich hier. Letzte Woche nahm ich in Tel Aviv an der Demo teil gegen die Besatzung, die ein Land tötet, das ich liebe.

 
Demo, Tel Aviv, Mai 2017
 
Frauen machen Frieden, Oktober 2016

Hintergrundinformation: Ulrich Schmid, NZZ vom 5.6.2017.


Tuesday, May 9, 2017

Gottesgeschenke und Gottesstrafen in biblischen Landen

Das Fazit am Ende der Regensaison in der Region* ist ernüchternd: die Niederschläge betragen 61-70% der durchschnittlichen Jahresmenge, bei überdurchschnittlich hohen Temperaturen. Der nächste Regen fällt erst im Oktober. Aber es geht um viel mehr als nur ein weiteres magers Jahr, es geht um die Existenz von Millionen von Menschen.

Viele kennen die Geschichte aus dem Alten Testament: Pharao, der ägyptische Herrscher, träumt von 7 fetten und von 7 mageren Kühen; die mageren fressen die fetten auf (1. Moses, Kapitel 41). Die Kühe stehen symbolisch für 7 ertragreiche Jahre, auf die 7 Jahre mit schlechtern Ernten und schweren Hungersnöten folgen werden. Unter der Leitung von Joseph sorgt Ägypten vor und entgeht so der Hungersnot.
Im Buche 1. Könige, Kapitel 17 und 18 wird von der grossen Not der Menschen erzählt, von Bächen, die austrocknen, von der Wittwe, die kein Mehl mehr hat und nun verhungern muss.
Auch Jesus, in seinen Reden über die Endzeit, spricht von Hunger. In Matthäus 24, 7, in den Reden über die Endzeit, spricht er: «Denn erheben wird sich Volk wider Volk und Reich wider Reich, und es werden da und dort Hungersnöte und Erdbeben kommen.»

Regen in Sicht,
Nethania, Mittelmeerküste
Die Region des fruchtbaren Halbmondes ist von einem kurzen Winter mit Regen und einem langen, regenlosen und heissen Sommer charakterisiert. Viel Regen im Winter bedeutet eine gute Ernte im Frühling und genügend Wasser in den Quellen, um die lange Trockenzeit zu überleben. Bereits im Altertum haben Menschen vorgesorgt, um nicht alles Gott oder dem Zufall zu überlassen. Davon zeugen die unzähligen Zisternen und Wassersysteme, die in der Region angelegt wurden. Im Buch 2. Chronik 32, 30, wird ein Meisterwerk an Bautechnologie beschrieben: «Hiskia war es auch, der den oberen Ausfluss des Gihon-Wassers zuschütten und dieses nach der Westseite der Davidsstadt hinunterleiten liess.» Dieser Tunnel, 550 m lang, ist begehbar, man watet durch das wunderbar frische Gihon-Quellwasser, der Tunnel wurde vor 2700 Jahren erstellt. Die Kaaaniter hatten bereits Hunderte von Jahre vorher Wasser aus dieser Quelle auf ihre Felder abgeleitet, z.T. durch einen unterirdischen Kanal. Später hat König Herodes der Grosse Wasser aus der Region Bethlehem und Hebron nach Jerusalem abgeleitet, um den wachsenden Bedürfnissen der Stadt zu genügen, über eine Distanz von mehr als 20 km. Das sind nur einige wenige Beispiele.

Eng verkoppelt mit der Hoffnung auf genügend Regen ist der Glaube an Gott, den belohnenden oder strafenden Gott. Jesaja 44, 3: «Denn ich (der Herr), giesse Wasser auf durstiges Land und rieselnde Bäche über das Trockene.»
Der Prophet Elia, in seiner Auseinandersetzung mit König Ahab, dem Herrscher von Israel, wirft dem König vor: «Nicht ich habe Israel ins Verderben gestürzt, sondern du und dein Geschlecht, weil ihr den Herrn verlassen habt und den Baalen nachgelaufen seid.» 3 Jahre lang fällt kein Regen, eine schreckliche Strafe Gottes (1. Könige, Kapitel 18, 18).

Dezember 2016 - Nach dem Regen bilden
sich in der Küstenebene grosse Pfützen  
Messlatte im See Genezareth
Im Herbst 2016, vor Beginn der Regenzeit, war ich mit Salim, dem palästinensischen Busfahrer, unterwegs. Die Meerzwiebeln, die Herbstblumen, blühten in grossen Mengen. Er stammt aus einer Beduinenfamilie und hat mir nach einer alten Bauernregel vorausgesagt, dass der Winter gut sein wird, weil viele Meerzwiebeln blühen. Den ganzen Winter habe ich mich an diese Hoffnung geklammert. Nach verheerenden Waldbränden Ende November hat es den ganzen Dezember geregnet. Januar und Februar waren trocken. Und nun, im Mai, ist das Fazit ernüchternd: 61-70% der durchschnittlichen Jahresmenge, abhängig vom Standort, mit überdurchschnittlich hohen Temperaturen. Dem See Genezareth fehlen Ende Regenzeit bereits 4.16 m Wasser, der Pegel des Toten Meeres sinkt jedes Jahr um weitere 1.2 m.

Wasserröhren - allgegenwärtig
auf allen Feldern
Israel geht es wirtschaftlich ausgezeichnet, und der Staat investiert viel in Wasserinfrastruktur. Wir entsalzen Meerwasser, wir benutzen das aufgeklärte Abwasser ein zweites Mal, indem es auf die Felder geleitet wird, jede Quelle wird angezapft. Überall werden Wasserreservoire gebaut, jede Pflanze auf jedem Feld kriegt, genau abgemessen, die richtige Menge Wasser, über Tropfschläuche oder Sprinkler, eine unglaubliche Leistung. Aber, die Niederschläge liegen seit Jahren unter dem Durchschnitt.
Bewässerungssystem im Hulatal

Wir hoffen nun wieder auf den nächsten Winter, wie jedes Jahr. Vielleicht belohnt uns der biblische Gott nächstes Jahr und füllt den See endlich wieder? Oder erwärmt sich die Erde nun doch? Die Grenze zur Wüste liegt nahe, jede noch so kleine Veränderung des Klimas wirkt sich sofort aus, die Wüste ist auf dem Vormarsch, von Süden und von Osten her.

Forscher sagen, dass der Bürgerkrieg in Syrien sehr eng mit dieser klimatischen Änderung zusammenhängt. Aber das ist eine andere Geschichte, oder vielleicht auch nicht. Millionen von Menschen hoffen hier jeden Winter auf Regen, als Gottesgeschenk, Gott jedoch scheint die Region zu strafen. Fragen Sie mal den neuen Präsidenten der USA, ob es eine Klimaveränderung gibt, der weiss alles besser.

Draussen messen wir heute 35 Grad.

* Der Ausdruck Region is grenzübergreifend und betrifft die Länder im östlichen Mittelmeer: Libanon, Syrien, Jordanien, Israel und die Palästinensischen Gebiete.








  Alte Zisterne, Region Sharon
 Pelikane in Wasserreservoir