In der Schule haben wir nicht wenig Gedichte
gelernt, die meisten habe ich vergessen, nur der Zauberlehrling von Goethe ist mir
gegenwärtig. Der Hexenmeister ist ausgegangen und hat seinen Lehrling
beauftragt, Wasser für ein Bad zu holen, vom Fluss. Der aber ist zu faul, will
sich auch in der Kunst des Zaubern üben und befiehlt dem alten Besen in der
Ecke, das Wasser an seiner Stelle zu holen.
Walle! walle
Manche Strecke,
Dass, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem
Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
 |
Entführt und ermordet: Eyal, Gilad, Naftali, Mohammed. |
Vor 3 Wochen wurden 3 jugendliche Israelis,
Eyal, Gilad und Naftali, an einer Kreuzung des Siedlungsgebietes Gush Etzion im
Westjordanland, westlich von Hebron, gekidnappt. Eine berührende Eigenschaft der
israelischen Gesellschaft ist das Zusammengehörigkeitsgefühl in schweren Tagen.
Eine ganze Nation hat diese jungen sympathischen Menschen umarmt, adoptiert,
man hat gebetet und gehofft, dass man sie lebend wieder findet. In allen Medien,
von Tel Aviv bis New York waren sie allgegenwärtig, auf den Bahnhöfen wurden
Flyer verteilt, an der Klagemauer in Jerusalem wurde gebetet, auf dem
Rabinplatz in Tel Aviv, dem traditionellen Ort der linken Demonstrationen, gab
es eine Kundgebung. Das Ganze entwickelte sich zu einer überspannten
Massenhysterie, derer man nicht entfliehen konnte oder auch nicht wollte.
Seht, er läuft zum Ufer
nieder,
Wahrlich! ist schon an
dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle
wieder
Ist er hier mit raschem
Gusse.
Die meisten israelischen Politiker, die
ganze Mitte-Rechts- bis sehr-Rechts-Regierung, sie alle haben keine Chance
ausgelassen, diese traurige Angelegenheit politisch und militärisch
auszuschlachten, von fragwürdigen Gesetzgebungen, die im Schnellverfahren in
der Knesset verabschiedet wurden bis zu massiven Verhaftungen von
Hamasmitgliedern im Westjordanland. Und aufs Feuer der nationalen
Massenhysterie wurde immer neu Öl gegossen. Man zählte die Tage seit der Entführung,
die antiarabischen Bemerkungen schlugen besonders hohe Wellen, die Hamas wurde ebenso
beschuldigt (zu Recht, die Entführer sind Mitgleider einer Hamaszelle in
Hebron) wie Mahmud Abbas die Verantwortung zur sicheren Heimkehr der drei
Jugendlichen aufgebürdet.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!
Und dann kam die grosse Ernüchterung, die
Leichen wurden gefunden, kurz nach der Entführung bereits erschossen. Eine
Nation in Trauer, es sind ja unserer aller Kinder, Tränen, Kerzen,
Gedenkfeiern, eine Bestattung mit drei Särgen, auf allen Fernsehsendern
übertragen. Nur auf dem arabischen Fernsehkanal wurde die WM übertragen - Argentinien-Schweiz.
Aber auch - eine Nation in Wut, die zur
Rache an den Palästinensern, zur Todesstrafe für Terroristen aufruft, Extremisten,
die einen Rachefeldzug durch die Weststadt von Jerusalem auf der Suche nach
Arabern machen, die dort in Restaurants arbeiten und von der Polizei beschützt
werden müssen. Raketen aus Gaza, Vergeltungschläge unserer Luftwaffe, und dann
wird ein arabischer Jugendlicher, Mohammed aus dem Ostjerusalemer Viertel
Shoafat, tot in einem Wald in der Weststadt gefunden. Die Polizei ermittelt, aber
nach wenigen Tagen ist so gut wie sicher, dass er von Juden verschleppt und
ermordet wurde.
Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen!
Und jetzt, nachdem der Besen immer mehr
Wasser ins Haus gebracht hat, die Raketen im Süden immer noch einschlagen, arabische
Jugendliche und die Polizei sich Strassenschlachten liefern in Jerusalem, die
Spannung auch in den arabischen Siedlungsgebieten im Norden und im Zentrum des
Landes spürbar ist, und Vermutungen über eine eventuelle dritte Intifada
angestellt werden? Wie lautet der Befehl, den Besen wieder in die Ecke zu
stellen?
Ach, ich merk es! Wehe,
wehe!
Hab ich doch das Wort
vergessen!
Eine verantwortliche Regierung hätte die
Gemüter bereits in den ersten Anfängen beruhigen und die Stimmung nicht immer
mehr aufheizen sollen. Der Kopf dieser Regierung, Ministerpräsident Netanyahu,
ist eigentlich kein Zauberlehrling mehr, nach beinahe 10 Jahren im Amt sollte
er ein ausgereifter Meister seines Faches sein, er hat jedoch kräftig
mitgemischt und die Stimmung mitdirigiert.
Ach, da kommt der
Meister!
Herr, die Not ist gross!
Die ich rief, die Geister,
werd ich nun nicht los.
Wer ist nun, in dieser neuen Version des
israelisch-palästinensischen Dramas, der alte Meister, der den Besen wieder in
die Ecke stellt? Ich weiss es nicht.
In die Ecke
Besen, Besen!
Seids gewesen,
denn als Geister
ruft euch nur zu seinem Zwecke
erst hervor der alte
Meister