Sunday, December 29, 2013

Es weihnachtet (nicht) sehr – der ganz gewöhnliche Alltag des 25. Dezember

Am Weihnachtstag fuhr ich nach Jerusalem, auf der Suche nach Weihnachten. Israel's christlich-arabische Bevölkerung bildet eine kleine Minderheit (weniger als 2%) der israelischen Gesamtbevölkerung, und konzentriert sich auf wenige Orte: Nazareth, Haifa, vereinzelte Dörfer iמ Galiläa, Jaffa und eben Jerusalem. Früh morgens fuhr ich mit dem Linienbus ab Nethania, 100 km bis nach Jerusalem, im israelischen Verkehrsalbtraum, 2 1/2 Stunden. Für die vorwiegend jüdische Bevölkerung des Heiligen Landes ist der 25. Dezember ein gewöhnlicher Arbeitstag, im Judentum gibt es keine Weihnacht.

Beim Damaskustor

Das Damaskustor bildet den nordwestlichen Eingang der Jerusalemer Altstadt, und verbindet die arabische Neustadt mit dem muslimischen Viertel der Altstadt.

Auch hier – Alltagsleben, der orientalische Markt (hier Schuk genannt) ist geöffnet. Verschleierte Mütter kaufen ein, ein junges arabisches Paar und Jeshiwastudenten flanieren durch die engen Gässchen. Und doch, ein Anzeichen von Weihnachten, eine junge Frau mit einer Samichlausmütze (auf gut Deutsch ist Samichlaus der Nikolaus, aber ich liebe diesen schweizerischen Ausdruck, verzeiht mir). Auch Muslime feiern nicht Weihnachten.















Das Neue Tor und das Christenviertel
Ein wunderschöner grosser Weihnachtsbaum am Eingang zum Christenviertel, und auch der kletternde Samichlaus fehlt nicht, der mich immer an einen Gehenkten erinnert.
Ich habe eine ganze Liste von Weihnachtsmessen erstellt, wir versuchen den Eintritt zur ersten Messe, in der griechisch-katholischen* Kirche. Nebst den religiösen Würdeträgern ist die Kirche beinahe leer. Wir werden höflich gebeten, die Kirche zu verlassen, eben weil Feiertag ist. Ein Grossteil des christlichen Viertels vesteckt sich hinter hohen Mauern – das Lateinische Patriarchat, die Verwaltung der Heiligen Orte (Custodia della Terra Santa), das Griechisch-Orthodoxe, das Griechisch-Katholische Patriarchat, und weitere Institutionen. Letzte Überreste des grössten Schnees seit Menschengedenken vor 10 Tagen erinnern uns mehr an eine weisse Weihnacht als diese hohen Mauern, die, vielleicht, eine Weihnacht verbergen.


Die Via Dolorosa

Die Touristenströme durch die Via Dolorosa, die Leidensgeschichte Jesu thematisierend, gehen unbeirrt weiter, als sei heute nicht Weihnachten. Auch das Kreuz wird weiterhin durch die Gassen geschleppt. Aber.....für diese orthodoxe Gruppe aus der Ukraine ist heute gar nicht Weihnachten; nach dem Julianischen Kalender wird erst am 7. Januar gefeiert. Heute also "Business as usual", auf dem Reiseprogramm steht die Via Dolorosa.








Die Grabeskirche
Kein einziger Weihnachtsschmuck, nichts, aber auch gar nichts, das an eine Weihnacht erinnert. Die Kirche, die sich sechs verschiedene Konfessionen teilen, ist nur zum kleinen Teil katholisch, aber selbst dort gibt es keinen Weihnachtsschmuck. In einer Ecke sitzt eine alte griechisch-orthodoxe Nonne, in ein Buch vertieft. Auch ihre Weihnacht ist erst am 7. Januar.



Westjerusalem - die jüdische Stadt
Auch hier herrscht Alltag, auf dem Machane Jehuda Markt kaufen die Menschen geschäftig ein, ab und zu wird ein Schwätzchen gehalten.






 Doch Weihnachten?
Auf der Rückfahrt zur Küste lese ich in der israelischen Tageszeitung Haaretz, dass eine israelische Firma eine "Handy App" für Weihnachten entwickelt hat. Kinder helfen Samichlaus, der im Kamin steckengeblieben ist, sich zu befreien, damit der seine Geschenke verteilen kann.

Im Süden von Tel Aviv, in der Nähe des zentralen Busbahnhofs, wo FremdarbeiterInnen aus den Philippinen und Flüchlinge aus Afrika leben, gibt es jede Menge Weihnachtskitsch zu kaufen. Tel Aviv, die jüdische Stadt, verbreitet mehr Weihnachtsambiente als Jerusalem. 
Doch, etwas Weihnachten gab es in der Altstadt von Jerusalem, am 25. Dezember waren dort viele Philippininnen unterwegs. Sie betreuen die alte Bevölkerung Israels und leisten sich zu Weihnachten einen freien Tag, den sie zum Einkaufen benutzen. Sie haben Weihnachten gefeiert, auf ihre Art. Die Betreuerin meines Schwiegervaters hat Goldschmuck gekauft und einen ganzen Monatslohn dafür bezahlt. Einmal im Jahr, hat sie verschmitzt gesagt.

Frohe Weihnachten und Frieden auf Erden.

* In Israel und im Nahen Osten gibt es mindestens 15 christliche Konfessionen, aufgegliedert in orthodoxe, orientalisch-orthodoxe, katholische und evangelische Kirchen. Die griechisch-katholische Kirche, auch als Melkitische Kirche bekannt, wurde offiziell im Jahre 1724 gegründet. Die Ligurgie folgt weiterhin der orthodox-byzantinischen, jedoch etwas abgekürzten Tradition, es wurden jedoch auch einige katholische Elemente in die Kirche aufgenommen. Die Kirche untersteht direkt dem Papst in Rom. 50% der chrislichen Araber in Israel sind Mitglieder der Melkitischen Kirche.

Tuesday, December 17, 2013

Gottesstrafe – Gottesgnade

Die ersten Dezembertage. Eine Wanderung mit meinen Kindern am Meer entlang, bei Temperaturen, die zu Baden einladen. Seit Wochen ist es viel zu warm, häufig 28°C am Tag, nachts "angenehm kühl", vielleicht 16°C.


Wanderung am Meer, anfangs Dezember 2013
Das jüdische Morgengebet preist Gott im Sommer dafür, dass ER Tau herablässt, und im  Winter dafür, dass ER den Wind wehen und den Regen fallen lässt. Man schliesst also Sommerregen aus, das gibt es gar nicht. Diese Gebete richten sich nach den jüdischen Feiertagen*. 2013 hat die Bitte nach Regen Ende September begonnen. Oktober und November sind durchs Land gezogen – ohne Regen. Ach doch, einmal hat es eine einzige Nacht geregnet, und vereinzelt spriesst neues, zartes Grün aus dem verdorrten vorjährigen Dornengestrüpp. Ansonsten – ein Sonnentag reiht sich an den nächsten.

Palmen im Schnee, Jerusalem,
Mitte Dezember 2013
Mitte Dezember. Jerusalem ist seit Tagen eingeschneit, der ungewöhnlich frühe Wintersturm ist das einzige Thema in den Nachrichten. Millionen syrischer Flüchtlinge leiden in ihren Notunterkünften, der Gazastreifen hat Hochwasser, Menschen in höheren Berglagen, oberhalb 700 m, sind tagelang von der Umwelt abgeschnitten.

Die Region des östlichen Mittelmeeres mit ihren Kleinstaaten ist eine Grenzregion zwischen Mittelmeerklima und Wüste, und das war immer so, die Bibel liefert uns viele Beispiele davon. Die Region ist karg und die Menschen können nur mit genügend Regen überleben. Der fällt jedoch sehr unregelmässig, die typischen Regenmonate sind Dezember, Januar und Februar. Gerade jetzt wurde uns wieder demonstriert, dass eine einzige Wetterfront 30 – 50% des gesamten Jahresdurchschnittes herunterfallen lässt, und das ist dann auch wieder kein Segen.


Dürre und Hungernöte beschreibt uns die Bibel an vielen Stellen:
1. Moses 13, 5: Lot zog mit Abram, hatte auch Schafe, Rinder und Zelte. Und das Land ertrug es nicht, dass sie beeinander blieben.
1. Moses 43, 1: Die Hungersnot aber lastete schwer auf dem Lande. Als sie nun das Korn, das sie aus Aegypten gebracht, aufgegessen hatten, sprach ihr Vater (Jakob) zu ihnen: zieht wieder hin und kauft uns ein wenig Speise.

Auch Schnee wird erwähnt:
Jesaja 55, 10: Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel herabkommt und nicht dahin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt, dass sie fruchtbar wird und sprosst und dem Sämann Samen und dem Essenden Brot gibt, so auch mein Wort, das aus meinem Munde kommt.
Hiob 24, 19: Dürre und Hitze raffen weg die Schneewasser, das Totenreich die, die gesündigt haben.

Hauseingang in Nachlaot, Jerusalem,
 Mitte Dezember 2013 
Regen als Gottesgnade, Dürre als Gottesstrafe, so lehrt uns die Bibel. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass nur eine so ungnädige Region wie die Wüste und ihre Randgebiete, wo Tod und Leben, Dürre und Segen, Sonne und Regen so nahe beieinanderleben, diesen strafenden Gott des Monotheismus hervorbringen konnte.

Die Menschen versuchen jedoch auch, diesen strafenden Gott auszutricksen, heute wie in antiken Zeiten. So haben bereits die Kanaaniter vor mehr als 3000 Jahren, dann die Israeliten, Herodes der Grosse, die Römer und die Araber grossartige Wassersysteme geschaffen, um Wasser für den heissen, regenlosen Sommer zu speichern, und die modernen Staaten der Region haben die riesige Verantwortung, ihre immerzu wachsende Bevölkerung mit Wasser und Nahrung zu versorgen. So wird Meereswasser in grossen Mengen in Trinkwasser verwandelt, jedes Tröpfchen aus den Quellen gefasst und in Röhren abgeleitet, wird Abwasser wiederaufbereitet und als quasi Secondhand Wasser auf die Felder geleitet und zum Bewässern wiederbenutzt.

Die ewig knappen Wasserresourcen sind ein Teil der regionalen Konflikte, könnten aber auch ein Hebel für gegenseitige Zusammenarbeit sein.

Anfänge gibt es. Letzte Woche wurde ein Abkommen zwischen Jordanien, Israel und der Palästensischen Autorität unterzeichnet, unterstützt und finanziert von der Weltbank. Geplant ist eine Wasserröhre vom Roten bis zum Toten Meer. Es geht um die Errettung des Toten Meeres, um das Herstellen von Trinkwasser, aber auch um regionale Zusammenarbeit.


* Der jüdische Kalender ist eine Kombination von Mond- und Sonnenjahr. Der Monat beginnt jeweils bei Neumond, wie der muslimische Monat auch. Das 12-monatige Mondjahr ist jedoch nur 354 Tage lang. Im jüdischen Kalender werden jeweils während 19 Jahren 7 Schaltmonate eingeschaltet, also alle 3-4 Jahre ein zusätzlicher Monat. Nach 19 Jahren ist der jüdische Kalender wieder mit dem Sonnenjahr gleich. Die jüdischen Feiertage richten sich nämlich nach dem landwirtschaftlichen Zyklus des östlichen Mittelmeerraumes, und dank dieser Korrektur fallen sie dann immer in die gleiche Jahreszeit.  Der Islam richtet sich nur nach dem Mond, so dass die Feiertage rings ums Jahr "wandern". 

Saturday, December 7, 2013

Warten auf Nelson Mandela

Die Welt trauert um Nelson Mandela. Die Zeitungen sind voll von Bildern des gutaussehenden, gütig lächelnden alten Mannes. Vor Jahren habe ich seine Autobiografie "der lange Weg zur Freiheit" gelesen und war zutiefst beeindruckt von seinem Lebensweg und seiner Fähigkeit, nach 27 Jahren südafrikanischer Gefängnisse den weissen Südafrikanern die Hand auszustrecken und seine schwarzen Südafrikaner zu überzeugen, dass der einzige Weg eine friedliche Übereinkunft sei. Ein einmalige Lebensgeschichte und ein einmaliger Feldzug des Friedens.

Ich kenne Südafrika aus unzähligen Geschichten eines engen Freundes, einem Weissen mit Burischen Wurzeln, im gleichen Jahre wie Nelson Mandela geboren und auch im gleichen Jahre gestorben. Er verliess Südafrika am Ende der 70er Jahre, weil er überzeugt war, dass die Tage des Apartheidregimes gezählt sind, und dass das Ganze in einem schrecklichen Blutbad enden werde. 12 Jahre später wurde Mandela freigelassen. Das Unglaubliche geschah, es kam zu einer Übereinkunft zwischen der weissen Minderheitsregierung von De Klerk und der African National Congress (ANC) Freiheitsbewegung von Nelson Mandela unter dessen Führung.

Wenn ich nach Tel Aviv fahre, 8 km südlich unseres Dorfes, fahre ich am Hadarim Gefängnis vorbei. In Zelle 28 ist seit 2002 Marwan Barghouti inhaftiert, ein prominenter plästinensischer Führer, verurteilt wegen mehrfachen Mordes an Israelis während der 2. Intifada. Barghouti galt als vielversprechender zukünftiger Führer der Palästinenser, wenn die alte Arafat-Generation, zu denen auch Mahmoud Abbas gehört, abtritt.

Stellen wir uns eine utopische Situation in Israel und Palästina vor. Der israelische Präsident erlässt eine Amnestie, und Barghouti wird in die Freiheit entlassen. In freien Wahlen wird er zum Präsidenten der Palästinensischen Authorität gewählt. Er spricht mit dem israelischen Ministerpräsidenten und hält, wie der Ägyptische Präsident Anwar Sadat im Jahre 1978, eine Rede vor der israelischen Knesset. Die Hamas lenkt ein, die israelische Öffentlichkeit wird von der israelischen Führung überzeugt, dass Israel auf den Traum des ganzen biblischen Landes verzichten muss. Es gibt Landaustausch, Siedler, die ihre Siedlungen verlassen müssen, und am Ende leben zwei Staaten mit klar gezogenen Grenzen nebeneinander: ein palästinensicher Staat, der seine Flüchtlinge zurückholt und nach zwei Generationen Flüchtlingsstatus in ein normales Leben integriert, und ein israelischer Staat mit einer arabischen Minderheit.

Für jeden Konflikt gibt es eine Lösung, irgendwann. Diese Lösung kann radikal sein, z. Bsp. ein Krieg, der die andere Seite auslöscht. Dies wird im Zeitalter von CNN und UNO jedoch zunehmend schwieriger. Eine friedliche Lösung hängt zum grossen Teil, vielleicht sogar ausschliesslich, von der politischen Führung ab, von charismatischen Pragmatikern, die ihren Mitmenschen direkt in die Augen sehen können und den Mut haben, Hass und Ängste, Vorurteile und Feindesbilder abzubauen, ihnen die Vorteile eines friedlichen Abkommens schmackhaft zu machen.

Immer gab es grosse Menschen. Einer, Martin Luther King, hat in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts eine flammende Rede gehalten: I have a dream......

Also, träumen wir von einer neuen Führung im Nahen Osten, die das Erbe von Nelson Mandela, sein Name sei gesegnet, weiterführt.



Sunday, December 1, 2013

Sind alle Juden in Israel reich?

Ich sitze in der Jerusalemer Ben Yehuda Strasse, der Einkaufsmeile der Weststadt und betrachte die vorüberziehenden Menschen. Die meisten sind billig, ja schäbig angezogen, schleppen Plastiktüten und billige Handtaschen herum. Eine Frau trägt ein schlechtsitzendes hellblaues Kleid, das bessere Zeiten gesehen hat und auch damals, als sie es gekauft hat, wahrscheinlich ein heruntergeschriebener Ladenhocker war. Ich sehe Menschen mit löchrigen Schuhen, Menschen, die stark hinken, übergewichtige Menschen, alles Anzeichen von Armut. Jerusalem ist eine arme Stadt, das Ostjerusalem der Araber und das Westjerusalem der Juden.

Wenige Wochen zuvor leitete ich eine grosse Reisegruppe. Mit einem Kreuzschiff fuhren meine Reiseteilnehmer 8 Tage durch das östliche Mittelmeer, in Israel wurde ihnen ein Tagesausflug angeboten. Unterwegs habe ich ihnen Verschiedenes erzählt, unter anderem auch die statistischen Daten von Israel erwähnt – 80% Juden, 20% Araber (Moslems und Christen). Beim nächsten Halt hat sich ein Reiseteilnehmer mit einer, wie er es ausdrückte, "privaten" Frage an mich gewandt. "Sind denn in Israel auch alle Juden so reich, wie sie es anderswo sind?"

Die Gruppe hatte als einzigen Ausflug in Israel einen Besuch ans Tote Meer gewählt. Wir besuchten keine Städte, und so konnte ich dem Reiseteilnehmer die Armut eines Teils der Bevölkerung dieses Landes nicht lebendig vor Augen führen, sondern nur allgemein darüber reden, dass Israel ein Land wie viele andere auch ist, obwohl die meisten Menschen Juden sind, und dass die soziale Schere hier sogar grösser ist als in den meisten westlichen Ländern.

So habe ich mich jetzt über die Statistiken hergemacht, um eine präzisere Antwort bereitzuhalten und, vielleicht, wieder einmal, ein hartnäckiges Vorurteil auch nur ein bisschen abzubauen, eben dasjenige, dass alle Juden reich seien.

Vor wenigen Jahren wurde Israel in die Organisation für wirtschaftliche Kooperation und Entwicklung (OECD) aufgenommen. Dieser Beitritt war und ist der Stolz von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, der mit viel Energie und Arbeit diesen Beitritt bewirkt hat. Die OECD hat 34 Mitgliedstaaten, die meisten Europäischen Staaten sind Mitglieder, die USA, Kanada, Australien, und einige aufsteigende Staaten wie Chile, die Türkei und Mexiko, kurz, die reicheren Staaten. Die OECD publiziert u.a. wirtschaftliche Statistiken über die Mitgliedstaaten.

Ein wichtiger Indikator von Reichtum und Armut ist der Gini-Koeffizient, der in der Wohlfahrtsökonomie verwendet wird, um das Mass der Gleichheit oder Ungleichheit der Verteilung von Vermögen oder Einkommen zu beschreiben. Israel steht hier an fünftletzter Stelle, ist also eines der Länder mit schlechter Verteilung, was heisst, dass es reiche, aber eben auch viel arme Menschen gibt.

Ein weiterer Indikator, von der OECD entwickelt, ist die Häufigkeit der Armut, wo Israel mit 20.6% den zweitletzten Platz belegt, gleich vor Mexiko.

Dem kann entgegengehalten werden, dass die Araber eine arme Bevölkerung sind. Das stimmt, aber nicht alle Araber in Israel sind arm, genauso, wie nicht alle Juden reich sind. Unter den orthodoxen Juden gibt es sehr viel und himmelschreiende Armut. Araber und orthodoxe Juden bilden die zwei ärmsten Bevölkerungsgruppen in Israel. Beide Bevölkerungsgruppen weisen eine hohe Kinderzahl (bei den Arabern in den letzten Jahren Tendenz sinkend) und eine unzulängliche Schulbildung auf. Wie überall gehören auch hier alleinerziehende Eltern, meistens Mütter, zu den ärmsten Bevölkerungsschichten. Zudem hat Israel in den letzten 25 Jahren mehr als 1 Million Neueinwanderer aufgenommen, hauptsächlich aus der ehemaligen Sowjetunion. Diese Menschen sind zum grossen Teil gut ausgebildet, aber besonders ältere Menschen beherrschen die Landessprache nicht und schlagen sich mit schlechtbezahlen Jobs mehr schlecht als recht durch. Es gibt in Israel auch eine breite Mittelschicht, wie überall in den industrialisierten Ländern, Menschen, die morgens früh aufstehen und hart arbeiten, um sich und ihren Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen – ein Dach über dem Kopf, ein Auto, eine gute Bildung für die Kinder, ab und zu mal eine Reise ins Ausland.  

Und hinter jeder Statistik stehen Menschen, so wie eben die Menschen in der Westjerusalemer Einkaufsmeile, mit ihren Plastiktüten und den löchrigen Schuhen. Nein, Herr Reiseteilnehmer, nicht alle Juden in Israel sind reich. Ich lade Sie ein, sich in die Ben Yehuda Strasse zu setzen und die Menschen als Menschen zu betrachten, ohne Vorurteile und ohne vorgefasste Meinungen.



Quelle: OECD, Gesellschaft auf einen Blick 2011, und Berechnungen durch die Administration von Forschung und Planung.